Entstehung

Wie Mutterschutz für Alle! entstand.

Seit 1952 gilt das Mutterschutzgesetz. Nur nicht für uns… Ein Formfehler? Wahrscheinlich, denn es hieß „Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter“ und nicht der angestellten Mutter und trat am 24. Januar 1952 in Kraft. Jedoch gilt der Mutterschutz seitdem in Deutschland ausschließlich für angestellte Frauen, weil er im Rahmen des Arbeitsrechts konzipiert wurde, das auf einem klassischen Beschäftigungsverhältnis basiert.
(Quelle: mdr.de)

Knapp 70 Jahre später in 2021: Tischlermeisterin Johanna Röh ist schwanger und freut sich – bis sie merkt, dass „Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft“ (Art. 6 Abs. 4 GG) für sie als Selbstständige nicht greift – und sie ist nicht allein.

Zu Beginn sind es drei Handwerkerinnen und eine Anwältin, die mit dem Claim #mutterschutzfueralle auf die Problematik aufmerksam machen. Sie reichen eine Petition für „Gleiche Rechte im Mutterschutz für Selbstständige Schwangere“ ein, die mit 111 794 Unterschriften in kürzester Zeit sehr erfolgreich wird. Die Anhörung vor dem Petitionsausschuss resultiert in einem einstimmigen und höchsten Votum aller demokratischen Parteien. 

Auch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Lisa Paus spricht sich für den Mutterschutz für Selbstständige aus. Sie betont in einem Interview Ende 2022: „Gleichbehandlung zwischen Selbstständigen und Angestellten ist nicht ganz einfach. Aber es muss auch Selbstständigen möglich sein, ohne zu hohe Hürden eine Familie gründen zu können. Daher sollten wir auch die Freistellung für Selbstständige ermöglichen.“ (Quelle: BMFSFJ)

Petition im Bundestag

Mit 111 794 Unterschriften ist unsere Petition für gleiche Rechte im Mutterschutz für schwangere Selbstständige ein voller Erfolg. Das sind mehr als doppelt so viele Unterzeichner*innen wie für ein positives Quorum notwendig sind. Am 26.09.2022 erfolgt die Anhörung im Petitionsausschuss. Diese nutzen wir, um mit den Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien in den Austausch zu gehen. Die Resonanz ist groß und parteiübergreifend unterstützend. Das einstimmige, fraktionsübergreifend höchste Votum ist ein voller Erfolg: Die Petition wird der Regierung zur Berücksichtigung übergeben. (05/2023)

Umfrage zu Selbstständigkeit und Schwangerschaft

Im Jahr 2023  gab es keine belastbaren Zahlen zum Thema Selbstständigkeit und Schwangerschaft bzw. Kinderwunsch. Das hat der Mutterschutz für Alle e. V. geändert und eine Umfrage mit 1 632 Teilnehmenden durchgeführt.

Die Ergebnisse waren eindeutig:

  • 82,5 Prozent der selbstständigen Mütter hatten durch ihre Schwangerschaft deutliche wirtschaftliche Nachteile – trotz guter Vorsorge. Nur 6,5 Prozent der selbstständigen Mütter gaben an, keine wirtschaftlichen Nachteile durch ihre Schwangerschaft erlitten zu haben; von denen mit einer Krankengeldversicherung waren es immerhin 17,5 Prozent.
  • Jede vierte Befragte kann sich vorstellen, selbstständig zu werden, zögert aber aufgrund der aktuellen Mutterschutzregelungen.
  • 13,5 Prozent der selbstständigen Personen gaben an, aufgrund ihres Kinderwunsches ihre Selbstständigkeit aufgeben zu wollen.
  • 35 Prozent der selbstständigen Mütter gaben an, aufgrund der Erfahrung der Schwangerschaft in der Selbstständigkeit auf ihren weiteren Kinderwunsch zu verzichten.

Antrag der CDU/CSU-Fraktion / Sachverständige

Die Opposition nutzt die Aufmerksamkeit der Stunde für ihren Antrag „Schwanger- und Mutterschaft für Gründerinnen und Selbstständige erleichtern“. In einer 40-minütigen Debatte sprechen sich Vertreter*innen aller Parteien für einen Mutterschutz für Gründerinnen und Selbstständige aus (05/2023). Johanna nimmt als Sachverständige im Bundestag an dem Familienausschuss teil und stellt die aktuelle Situation und den Handlungsbedarf vor. Im Oktober 2024 ist die 2. Lesung. Der Antrag wird zwar von den Ampelparteien abgelehnt, es ist jedoch deutlich, dass der Zuspruch fraktionsübergreifend da ist und Lösungen gesucht werden.

Als Sachverständige im Bundestag

Am 18.09.2023 sprach Johanna stellvertretend für den Mutterschutz für Alle! e. V. als Sachverständige vor dem Familienausschuss. Grundlage war ein Antrag der Union: „Schwanger- und Mutterschaft für Selbstständige und Gründerinnen erleichtern“. Einheitlich wurde für eine bessere Vereinbarkeit für selbstständige Schwangere plädiert. 


Auszug aus Johannas Statement:

„_Wir sind überzeugt, dass wir eine Erweiterung des gesetzlichen Mutterschutzes auf selbstständige Schwangere brauchen und alles andere schlichtweg diskriminierend ist. Jede Schwangere muss die Möglichkeit haben, zu pausieren, wenn es notwendig ist – ohne wirtschaftliche Nachteile. Laut Grundgesetz steht jeder Mutter der Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft zu. Derzeit gilt das aber nicht für Selbstständige. Das Krankengeld ist für Selbstständige derzeit die einzige Absicherungsmöglichkeit – aber kein geeignetes Instrument dafür. Das hat mein eigener Fall, aber auch unsere Umfrage mit über 1600 Teilnehmer*innen gezeigt._”

„Die Zeit drängt. Wir sollten nicht nur über das Ob, sondern auch über das Wie nachdenken.“

Wir haben die Gelegenheit genutzt, um zu verdeutlichen, dass wir bereit sind, in eine Umlage für Mutterschaftsleistungen einzuzahlen. 

Alle Details zur 1. Lesung und und Anhörung finden sich auf der Seite des Bundestages.

Urteil Musterverfahren

Musterverfahren gewonnen! Die private Krankenkasse DKV hat die Forderung vollständig anerkannt. Die Klage, die von Rechtsanwältin Angela Heinssen vertreten wurde, hatte gezeigt, dass ein Abzug von Karenzzeiten im Mutterschutz dem Sinn und Zweck der Regelungen im Versicherungsvertragsgesetz widerspricht und gegen europäisches Recht verstößt. Infolge dieses Urteils verpflichtete sich die DKV, das Krankentagegeld während des gesamten Mutterschutzes ohne Karenzzeit zu zahlen. Im konkreten Fall wurden 1 785 Euro zuzüglich Zinsen an die Klägerin ausgezahlt.

Diese Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen: Karenzzeiten im Mutterschutz dürfen nicht abgezogen werden. Selbstständige, die in den letzten Jahren im Mutterschutz mit Abzügen von ihrer privaten Krankenversicherung konfrontiert wurden, sollten ihre Ansprüche auf vollständiges Krankentagegeld prüfen lassen. Es besteht die Möglichkeit, diese Ansprüche rückwirkend geltend zu machen, weshalb es ratsam ist, die Verjährungsfristen anwaltlich überprüfen zu lassen. In Deutschland sind die Ansprüche auf Mutterschaftsleistungen und damit auch die Karenzzeiten nämlich normalerweise auf drei Jahre rückwirkend einforderbar. 

Wenn ihr betroffen seid, dann scheut nicht den Rechtsweg und haltet uns auf dem Laufenden! Mail: verein@mutterschutzfueralle.de

Quellen: BMFSFJ  |  Federal Constitutional Court Finanztip

Förderung JoinPolitics

Wir wurden 2023/2024 von JoinPolitics gefördert. So konnten wir uns voll auf unser Thema konzentrieren. Die Förderung hat unser Engagement durch wertvolles Know-How, Training und Begleitung auf das nächste Level gehoben. Und nicht nur das – wir wurden in der Zeit auch mit den nötigen Ressourcen für die politische Teilhabe ausgestattet. Die Initiierung des Bündnisses für den Mutterschutz für Selbstständige wäre ohne die Förderung von JoinPolitics nicht möglich gewesen. JoinPolitics fördert nicht nur unser Projekt, sondern auch zahlreiche andere Initiativen, die sich für eine diverse politische Landschaft und relevante gesellschaftliche Themen einsetzen. Zu den geförderten Talenten gehört beispielsweise auch Natascha Sagorski, die mit ihrer Gesetzesinitiative für gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten kämpft. Tipp: Falls ihr selbst Ideen für eine solche Initiative habt und die nötige Starthilfe sucht, schaut unbedingt mal auf der Seite von JoinPolitics nach dem aktuellen Förderprogramm! 

Gleichzeitig: Wenn ihr weitere Förderprogramme oder Stiftungen kennt, die zu unserem Anliegen passen, zögert nicht, uns diese zu empfehlen oder den Kontakt herzustellen. Eure Hinweise können entscheidend dazu beitragen, unsere Initiativen voranzubringen und mehr Menschen zu erreichen. 

Gemeinsam können wir mehr bewegen!

Schreibt direkt Johanna: johanna.roeh@mutterschutzfueralle.de

Werner-Bonhoff-Preis

Unsere Vorstandsvorsitzende Johanna Röh wurde am 15. November 2023 mit dem Werner-Bonhoff-Preis ausgezeichnet. Dieser Preis würdigt ihr unermüdliches Engagement für eine Reform des Mutterschutzgesetzes, insbesondere für schwangere Selbstständige in handwerklichen Berufen. Johanna hat durch ihre Online-Petition, die über 111 000 Unterstützer mobilisieren konnte, auf die existenzbedrohenden Herausforderungen aufmerksam gemacht, denen schwangere Unternehmerinnen gegenüberstehen und mit ihrer Petition auch gleich konstruktive Lösungsansätze mitgeliefert. Der Werner-Bonhoff-Preis, der im Rahmen des Projekts „Bürokratie-Therapie“ vergeben wird, honoriert also nicht nur Johannas individuelle Anstrengungen, sondern auch den positiven Einfluss auf alle selbstständigen Frauen mit Kinderwunsch.

YouTube-Video: Gewinnerin Werner-Bonhoff-Preis 2023: Johanna Röh aus Alfhausen, Niedersachsen

Initiierung des Bündnisses für den Mutterschutz für Selbstständige

  • Gründung des Bündnisses für den Mutterschutz für Selbstständige.
  • Über 36 unterzeichnende Organisationen, hinter denen mehr als 250 000 Betriebe und Menschen stehen
(Stand: Sommer 2024)

Warum ein Bündnis

Im Verein Mutterschutz für Alle! e. V. organisieren sich selbstständige (werdende) Mütter und Allies branchenübergreifend, um sich zu vernetzen, auszutauschen und Wissen zu teilen. Wir wollen aber mehr als Selbsthilfe leisten: Wir wollen die Strukturen ändern, in denen wir als Selbstständige Kinder bekommen. Wir wollen, dass der Mutterschutz für Selbstständige gesetzlich verankert wird. Dafür haben wir ein Bündnis gegründet. Warum? Wir müssen unsere Kräfte bündeln. Je enger wir kommunizieren, je entschlossener und geschlossener wir bei dem Anliegen auftreten, desto erfolgreicher sind wir. Im Bündnis arbeiten wir verbandsübergreifend. Wir verstehen uns als politische Lobby für selbstständige (werdende) Mütter.
Erfahre hier mehr über das Bündnis


Unterstützende Organisationen

Unser Bündnis für den Mutterschutz für Selbstständige ist ein Zusammenschluss aus Verbänden, Kammern, Vereinen und Personen aus Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. 
Erfahre hier, wer das Bündnis bereits unterstützt 


Gemeinsame Erklärung

Die „Gemeinsame Erklärung“ ist eine Absichtserklärung der Unterzeichnenden, sich für eine bessere Vereinbarkeit in der Selbstständigkeit einzusetzen. Gleichermaßen ist sie als Handlungsaufforderung an die Politik zu verstehen, den Mutterschutz für Selbstständige umzusetzen: Hier geht es zur Gemeinsamen Erklärung!


Unterzeichnen

Mit der Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung“ wird man Teil der Lobby für selbstständige Schwangere. Egal ob kleines Netzwerk, Berufsverband, großer Verein, Kammer, Politiker*in, Expert*in, Gewerkschaft oder Arbeitskreis. Gemeinsam können wir die Weichen stellen.
Jetzt unterzeichnen, denn jede Stimme zählt.

Bundesratsinitiative

Bundesrat: Länder fordern Mutterschutz für Selbstständige

Selbstständige sollen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung die gleichen Mutterschutzleistungen erhalten wie Arbeitnehmerinnen. Dies fordert der Bundesrat von der Bundesregierung in einer Entschließung, die auf eine Initiative von Nordrhein-Westfalen und Hamburg zurückgeht.

Gerade junge Unternehmerinnen hätten oft noch keine Rücklagen für eine ausreichende Vorsorge. Ihnen drohen beim Ausfall durch Schwangerschaft und Geburt Auftragseinbußen und Umsatzrückgänge, die bis zur Insolvenz führen könnten. Unternehmerinnen im Handwerk seien besonders betroffen, da die Arbeit oft körperlich belastend und in dieser Lebensphase der Investitionsbedarf besonders hoch sei. Daher müssten für Gründerinnen und Selbstständige Instrumente geschaffen werden, die einerseits Rückhalt zur Gründung geben und andererseits schwangerschaftsbedingte Betriebsschließungen verhindern, verlangt der Bundesrat. Finanziert werden könnten diese Instrumente durch Bundesmittel oder durch Schaffung eines solidarischen Umlagesystems.

Die Entschließung wird der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet, wann sie sich mit den Länderforderungen befasst. Feste Fristvorgaben gibt es hierfür nicht.

(Quelle: https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/24/1043/12.html?nn=20782008#top-12 )
TOP17  |  https://www.bundesrat.de/DE/service/mediathek/mediathek-node.html?cms_id=0_k2wyg1vz Stunde Video ab: 02:54:00

Studien

Mittlerweile gibt es einige wichtige Studien, die eine politische Diskussion weiter anregen und unsere Forderungen nach einer gerechten Gestaltung des Mutterschutzes unterstützen. Diese Untersuchungen beleuchten unter anderem die Auswirkungen der aktuellen Regelungen auf Selbstständige und auf den Arbeitsmarkt insgesamt. Besonders hervorzuheben sind aktuelle Studien, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt wurden und aufzeigen, dass Frauen in bestimmten Beschäftigungsformen wie der Selbstständigkeit nach wie vor benachteiligt werden. Diese Studien liefern wichtige Impulse, um notwendige Reformen in der Politik voranzutreiben und den Schutz von Müttern umfassend zu gewährleisten.

Die wichtigsten Zahlen und Fakten aus unserer Umfrage für den Mutterschutz für Alle e. V. zu Selbstständigkeit und Schwangerschaft aus 2023 findest du hier. 


Umlagefinanzierte Mutterschaftsleistungen für selbstständig erwerbstätige Frauen? 

Selbstständig erwerbstätige Frauen können sich freiwillig über die Krankenversicherung gegen einen Einkommensausfall während der Mutterschutzfrist absichern. Etwa die Hälfte der selbstständig erwerbstätigen Frauen im gebärfähigen Alter ist entsprechend versichert. Allerdings hat nur etwa ein Viertel der gebärenden selbstständig erwerbstätigen Frauen Mutterschaftsleistungen von ihrer Krankenversicherung in Anspruch genommen. Die jährlichen Gesamtausgaben der Krankenversicherungen für Mutterschaftsleistungen lagen in den Jahren 2021 und 2022 bei 32,1 bzw. 30 Millionen Euro. Würde eine Regelung eingeführt, die allen gebärenden selbstständig erwerbstätigen Frauen den Einkommensausfall während der Mutterschutzfrist vollständig ersetzen würde, wäre mit Gesamtausgaben in Höhe von etwa 229 Millionen Euro zu rechnen.

Die wichtigsten Zahlen und Fakten aus den Publikationen des IfM Bonn und aus der Allensbach-Studie findet ihr hier.

Quellen:
Bedarfsanalyse  |  IfD Allensbach  |  IfM Bonn Umlage  |  IfM Bonn Zahlen Daten  |  Destatis Geburten  |  Lohninfo Umlage


Wow, ganz schön viel in so kurzer Zeit passiert, oder? Das geht nur, wenn viele Hände mit anpacken.

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