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Täglich werden Selbstständige schwanger. Schade.
Denn: Sie werden nicht durch das Mutterschutzgesetz geschützt.
Trotz der 2010/41/EU und Art 6 Absatz 4 : Die europäische Richtlinie zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben – wird derzeit nicht umgesetzt.
Eine Schwangerschaft in Selbstständigkeit ist nicht vorgesehen, sondern wird als individuelles, wirtschaftliches Risiko betrachtet.
Sie bedeutet einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Vätern, Kinderlosen und Angestellten. Die Folge sind gesundheitliche Risiken, Existenznöte und Betriebsschließungen, die sich auch auf das ungeborene Kind und die junge Familie auswirken.
Betroffen sind vor allem Klein- und Solo-Selbstständige, die von ihrer direkten Arbeit leben. Die meisten haben sich eigenständig dazu entschieden, selbstständig zu arbeiten. Für manche hingegen ist Selbstständigkeit ein Teil des Berufsbildes: Hebammen, Tageseltern, Freelancende, Journalist*innen, Schauspielende, Autor*innen, Handwerkende, Physiotherapeutinnen, Gutachter*innen, Coaches etc. . Diese Menschen gehören nicht zu den „reichen“ Selbstständigen. Die meisten verdienen gerade so viel, dass eine zusätzliche Absicherung im Mutterschutz eine Luxusfrage darstellt.
Menschen mit Uterus und Kinderwunsch müssen sich daher in der Realität oft entscheiden, überhaupt zu gründen oder in der Selbstständigkeit keine Kinder mehr zu bekommen oder eines von beiden so lange aufzuschieben, bis es gegebenenfalls zu spät ist.
Die Lösung
Branchenspezifische Lösungen für die Umsetzung des Mutterschutzes für Selbstständige und solidarische Finanzierung der Mutterschaftsleistungen nach Vorbild von Arbeitnehmenden dienen:
- Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit
- Fachkräftesicherung im demografischen Wandel
- Erhalt von Betrieben und Arbeitsplätzen
- Entscheidungsmöglichkeit für Betrieb und Familie
- Der Verhinderung von Kinderarmut
Bis zur Gesetzesänderung fangen wir Betroffene auf – mit Informationen, Netzwerken und Solidarität. Derweil fehlt es an strukturellen und niedrigschwelligen Informationen, Bewusstsein innerhalb der Gesellschaft und Zuständigkeiten. All das wollen wir ändern.
Allgemeine Einführung
Wer in Deutschland selbstständig ist und schwanger wird, steht aktuell vor großen Herausforderungen. Derzeit ist das Krankentagegeld für Selbstständige die einzige Möglichkeit, die persönlichen Lebenshaltungskosten abzusichern, doch es gibt viele Ausschlusskriterien und meist deckt es lediglich einen Teil des ausgefallenen Arbeitseinkommens – aber grundsätzlich nicht die Betriebskosten. Das finanzielle Risiko einer Schwangerschaft ist für Selbstständige daher meist unberechenbar.
Viele selbstständige Frauen müssen sich entscheiden, ob sie eine Familie gründen oder ihr Geschäft weiterführen wollen. Für die meisten geht es dabei um ihre Existenz.
Beispiele gibt es genug:
- Eine befreundete Fotografin erhielt im Mutterschutz gerade einmal 8 Cent Krankentagegeld.
- Eine Tischlerin aus dem Nachbarort musste ihren Betrieb aufgeben, weil sie sich ein zweites Kind wünschte.
- Eine Einzelhandelskauffrau kann sich nach Corona-Einbußen keinen Nachwuchs mehr leisten und verzichtet deshalb auf ihren Kinderwunsch.
- Eine Wirtschaftspsychologin hatte ihren Kinderwunsch gut unter Berücksichtigung des Berechnungszeitraums für die Mutterschaftsleistungen geplant, erlitt aber eine Fehlgeburt und muss den Kinderwunsch nun zwei Jahre aufschieben, um erneut gut abgesichert zu sein.
Betroffen sind vor allem Klein- und Solo-Selbstständige wie Hebammen, Tagesmütter, Freelancer, Journalistinnen, Schauspielerinnen, Autorinnen, Handwerkerinnen, Physiotherapeutinnen und Coaches. Diese Berufsgruppen verdienen oft nicht genug, um sich mit entsprechenden Rücklagen für den Mutterschutz abzusichern.
Wenn Frauen die gleichen Bedingungen wie ihre männlichen Kollegen haben und das Risiko einer Familiengründung nicht mehr abwägen müssen, kommen wir der Chancengleichheit in der Selbstständigkeit ein großes Stück näher.
Positionspapier: Das Wichtigste auf einen Blick
In unserem Positionspapier haben wir gute Gründe aufgelistet, warum der Mutterschutz für Selbstständige gesetzlich verankert werden sollte. Denn wir finden: Die Zeit ist reif, selbstständige Frauen bei der Familienplanung endlich besser zu unterstützen und ihre Existenzen im Falle einer Schwangerschaft optimal abzusichern.
rechtliche und politische Einordnung
Der Mutterschutz in Deutschland entwickelte sich von den frühen Bismarck’schen Gesetzen hin zu einer umfassenden arbeitsrechtlichen Schutzregelung, die auf verschiedenen Ebenen – national, europäisch und international – verankert ist. Die deutschen Regelungen stehen im Einklang mit internationalen und europäischen Standards, wie den ILO-Übereinkommen und den EU-Richtlinien, und zielen darauf ab, die Gesundheit von Mutter und Kind zu bewahren, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern und die Gleichstellung von Frauen im Arbeitsmarkt sicherzustellen.
Der Mutterschutz ist in Deutschland verfassungsrechtlich durch Artikel 6 Absatz 4 des Grundgesetzes (GG) verankert, der den Schutz von Mutter und Kind gewährleistet und den Staat verpflichtet, besondere Maßnahmen zum Schutz werdender und frisch entbundener Mütter zu ergreifen. Darüber hinaus trägt Artikel 3 Absatz 2 GG zur Gleichstellung von Frauen und Männern bei und fordert den Abbau von Nachteilen aufgrund des Geschlechts, was insbesondere für schwangere Frauen relevant ist. Diese Regelungen bilden die verfassungsrechtliche Grundlage für die umfassende nationale Gesetzgebung zum Mutterschutz, die im Mutterschutzgesetz (MuSchG) geregelt ist.
Der Mutterschutz in Deutschland hat eine lange Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Die Bismarck’schen Sozialreformen legten den Grundstein. Bereits im Jahr 1878 wurde ein erstes Mutterschutzgesetz verabschiedet, das schwangeren Frauen bestimmte Tätigkeiten verbot, um ihre Gesundheit und die des ungeborenen Kindes zu schützen. Diese frühen Schutzmaßnahmen waren Teil der umfassenderen Sozialgesetzgebung, die auf den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abzielte.
Im Jahr 1952 wurde das heutige Mutterschutzgesetz (MuSchG) erstmals kodifiziert. Es baute auf den vorherigen Regelungen auf und erweiterte den Schutz erheblich. Schwangere Frauen erhielten umfassenden Kündigungsschutz, das Recht auf bezahlten Mutterschaftsurlaub sowie besondere Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Diese Regelungen wurden im Laufe der Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert.
Selbstständige Schwangere werden bisher nicht durch das Mutterschutzgesetz geschützt. Ein Formfehler? Wahrscheinlich, denn es hieß 1952 „Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter“ und nicht der angestellten Mutter. (Quelle: mdr.de)
Die jüngste Reform des Mutterschutzgesetzes trat 2018 in Kraft und bezog erstmals auch Schülerinnen, Studentinnen und Praktikantinnen in den Mutterschutz mit ein. Diese Erweiterung stellte sicher, dass auch diese Personengruppen von den gesundheitlichen und rechtlichen Schutzmaßnahmen profitieren und der Mutterschutz an die Anforderungen eines modernen und flexiblen Arbeitsmarktes angepasst wird.
Auf internationaler Ebene setzte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) mit dem Mutterschutzübereinkommen Nr. 3 im Jahr 1919 den ersten globalen Standard für den Mutterschutz. Dieses Abkommen sicherte schwangeren Arbeitnehmerinnen erstmals den Anspruch auf bezahlten Mutterschaftsurlaub, medizinische Versorgung und Schutz vor Kündigung während der Schwangerschaft und Mutterschaft. Diese bahnbrechende Regelung wurde durch die späteren Übereinkommen, insbesondere das Mutterschutzübereinkommen Nr. 183 aus dem Jahr 2000, ergänzt, das die Schutzstandards erweiterte und die Rechte von Frauen auf globaler Ebene festigte.
Auf europäischer Ebene wird der Mutterschutz durch verschiedene Richtlinien gestärkt, insbesondere durch die Richtlinie 92/85/EWG, die einen Mindeststandard für den Mutterschaftsurlaub und den Kündigungsschutz festlegt. Diese Richtlinie zielt darauf ab, schwangere Frauen und Mütter in der EU vor arbeitsbedingten Gefährdungen zu schützen. Ergänzend dazu trat die Richtlinie (EU) 2019/1158 in Kraft, die sich auf die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben konzentriert und neue Standards für Elternzeiten und den Schutz von pflegenden Angehörigen setzt. Darüber hinaus stärkt die Richtlinie 2010/41/EU die Rechte selbstständig erwerbstätiger Frauen, indem sie ihnen den Anspruch auf 14 Wochen Mutterschaftsurlaub zusichert.
Diese drei Rechtsgebiete – das nationale Verfassungsrecht, das internationale Recht durch die ILO und das europäische Recht – bilden ein kohärentes Schutzsystem für schwangere Frauen und Mütter. Sie zielen darauf ab, die gesundheitliche Unversehrtheit von Mutter und Kind, die Chancengleichheit im Erwerbsleben und die soziale Sicherheit während der Schwangerschaft und Mutterschaft zu gewährleisten.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden fortlaufend weiterentwickelt, um den Schutz und die Rechte von Frauen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu stärken. Der Bedarf an einer umfassenden Reform zeigt sich am Beispiel des Mutterschutzes für Selbstständige, der derzeit noch fehlt. In der Politik gibt es parteiübergreifend Bestrebungen, die Absicherungslücke zu schließen. Jüngst in Auftrag gegebene Umfragen und Analysen verdeutlichen auf der einen Seite den politischen Willen, den Mutterschutz für Selbstständige gesetzlich zu verankern, und auf der anderen Seite auch den dringenden Handlungsbedarf, schwangere Selbstständige abzusichern.
Hier findest du aktuelle Daten, Fakten und Studien, die im Zusammenhang mit dem Mutterschutz für Selbstständige relevant sind.
Vergleich andere Länder
Kein Land setzt den Mutterschutz für Selbstständige lückenlos um und auch der Gesundheitsschutz vor dem eigentlichen Mutterschutz bleibt unberücksichtigt. Jedoch können internationale Beispiele für mögliche Ansätze in Deutschland herangezogen werden.
In den Niederlanden wird der Umfang der vor der Schwangerschaft geleisteten Stunden herangezogen, um die Mutterschaftsleistungen zu berechnen.
In Schweden wird bei Frauen, die in der Gründungsphase schwanger werden, ein vergleichbares, branchentypisches Einkommen zur Berechnung der Mutterschaftsleistungen herangezogen
In Österreich können sich Frauen entscheiden, ob sie ein Wochengeld von ca. 420 Euro erhalten oder eine Betriebshilfe finanziert wird.
Hier findest du detaillierte Informationen des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu exemplarischen Regelungen in anderen Ländern:
→ Regelungen für Großbritannien, Niederlande, Österreich und Schweiz
→ Regelungen für Dänemark, Finnland, Frankreich, Island, Norwegen, Schweden und Spanien
Status Quo Deutschland
Es gibt keinen Mutterschutz für Selbstständige!
Das Kranken(-tage)geld ist für Selbstständige derzeit die einzige Möglichkeit, die persönlichen Lebenshaltungskosten in der Schwangerschaft abzusichern. Es gibt jedoch zahlreiche Ausschlusskriterien, Abzüge und auch Warte- und Karenzzeiten, sodass nicht jede Selbstständige so eine Absicherung abschließen kann oder bei bestehender Versicherung von ihr profitiert.
Die Absicherung von Betriebskosten ist derzeit nur bei wenigen Versicherungen und lediglich für schwangerschaftsbedingte Krankschreibungen möglich. Betriebsausfallversicherungen, Inhaberausfallversicherungen und Praxisausfallversicherungen decken die Zeit des Mutterschutzes und den individuellen und persönlichen Gesundheitsschutz nicht ab.
Mehr Infos zu den detaillierten Regelungen, um eine Schwangerschaft zu planen, gibt es in unserem Infohub. Hier werden auch viele Fallstricke deutlich.
Daten, Fakten, Studien
In diesem Abschnitt findest du die harten Fakten, die zeigen, warum ein Mutterschutz für selbstständige Frauen längst überfällig ist. Wir haben die wichtigsten Zahlen und Daten zusammengetragen, um zu verdeutlichen, wo die größten Ungerechtigkeiten liegen und wie viel Potenzial in einer fairen Lösung steckt.
Warum das wichtig ist? Jedes Jahr gebären 27 000 selbstständige Frauen ohne Mutterschutz.
Selbstständige Frauen in Deutschland
- In Deutschland gibt es rund 1,3 Millionen selbstständige Frauen (2023). Die Anzahl der selbstständigen Frauen stieg in den letzten 20 Jahren nur leicht an – im Jahr 2002 waren es 1,23 Millionen, im Jahr 2022 1,36 Millionen.
- Geschätzt 27 000 selbstständig erwerbstätige Frauen gebären jährlich (vgl. Kay 2024, S. 3)
Wirtschaftliche Situation und Einkommen
- Durchschnittliches monatliches Einkommen selbstständiger Frauen vor der Geburt eines Kindes: 2 600 Euro (vgl. Kay 2024, S. 10).
- Während der 14-wöchigen Mutterschutzfrist ergibt sich ein Bruttoerwerbseinkommen von rund 229 Millionen Euro, das nicht abgesichert ist.
- Selbstständige Mütter müssen ohne Mutterschutz während dieser Zeit eine durchschnittliche finanzielle Belastung von 8 481,48 Euro tragen. Diese Summe entspricht ihrem Verdienstausfall während der Mutterschutzfrist, da es nicht für alle die Möglichkeit gibt, diesen Einkommensverlust abzusichern. Hier werden laufende Kosten jedoch noch gar nicht berücksichtigt, die finanzielle Belastung ist für die meisten daher sogar noch viel höher!
Geburtenrate
Die Geburtenrate in Deutschland sinkt seit 2021. Hier ist eine Übersicht der Geburtenzahlen und der zusammengefassten Geburtenziffern (durchschnittliche Anzahl von Kindern pro Frau) von 2021 bis 2023:
- 2021: 795 492 Geburten, Geburtenziffer: 1,58 Kinder pro Frau
- 2022: 738 819 Geburten, Geburtenziffer: 1,46 Kinder pro Frau
- 2023: 692 989 Geburten (Stand: Juli 2024), Geburtenziffer: 1,35 Kinder pro Frau
Die Geburtenziffer ist also seit 2021 von 1,58 auf 1,35 im Jahr 2023 gesunken, was auf verschiedene gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen sein könnte.
Quellen: Bedarfsanalyse IfD Allensbach | Destatis Geburten | IfM Bonn Umlage
IfM Bonn Zahlen Daten | Lohninfo Umlage
2024 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Bedarfsanalyse beim Institut für Demoskopie (kurz:IfD) Allensbach in Auftrag gegeben.
Untersucht werden sollte, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie von selbstständig tätigen Personen verbessert werden kann, insbesondere in Bezug auf den Mutterschutz.
Im Rahmen der Analyse wurden 621 selbstständig tätige Frauen unter 50 Jahren und 228 selbstständig tätige Männer befragt.
85 Prozent der selbstständigen befragten Frauen wünschen, dass der Staat die Rahmenbedingungen beim Mutterschutz für Selbstständige verbessert.
62 Prozent der befragten Frauen, die in der Selbstständigkeit Mutter wurden, gaben an, dass sie in der ersten Zeit finanziell vom Partner abhängig waren und/oder von Ersparnissen lebten (42 Prozent). Gleichzeitig haben 65 Prozent der Frauen, die während der Selbstständigkeit Mutter wurden, ihre Arbeit rund um die Geburt nicht oder nur kurz niedergelegt.
Interessant ist auch, dass zwar 74 Prozent der selbstständigen Frauen Kinder haben, dass aber nur 43 Prozent während ihrer Selbstständigkeit (noch einmal) Mutter geworden sind. Rund 30 Prozent aller selbstständigen Frauen haben ihre Kinder also bereits vor der Selbstständigkeit zur Welt gebracht. In der Studie wird davon ausgegangen, dass das zum einen daran liegt, dass andere Voraussetzungen für die Selbstständigkeit erst nach der Geburt der Kinder gegeben waren, zum anderen aber auch, dass spezifische Vereinbarkeitsprobleme im Zusammenhang mit der Geburt der Kinder vermieden werden sollten.
Hier findest du die gesamte Studie: https://drive.google.com/file/d/1RNkNAHcYFY_LDHEmb2TFIoZqwT6SDUm_/view?usp=sharing
Die Publikation des IfM Bonn (Juli 2024) befasst sich mit der Absicherung von Mutterschaftsleistungen für selbstständig erwerbstätige Frauen in Deutschland. Sie untersucht, wie viele Frauen entsprechende Leistungen in Anspruch nehmen und welche finanziellen Auswirkungen eine umfassende Absicherung hätte.
Laut den Berechnungen des Institut für Mittelstandsforschung bekommen schätzungsweise knapp 27 000 Selbstständige im Jahr Kind(er). Die Kosten des Mutterschutzes, je nach Höhe der Berechnungsgrundlage/Leistungen werden in der Kernzeit der 14 Wochen je nach Berechnungsgrundlage auf 149-229 Millionen Euro beziffert: https://www.ifm-bonn.org/publikationen/daten-und-fakten/detailansicht/mutterschaftsleistungen-fuer-selbststaendig-erwerbstaetige-frauen
Im Policy Brief „Unternehmertum im Fokus“ fasst Dr. R. Kay Berechnungen zu einer möglichen Umlage folgendermaßen zusammen: „Die an den Erwerbseinkommen festgemachte Umlage stellt eine solidarische Lösung dar, die zugleich niemanden überfordert und den Wettbewerb zwischen selbstständig erwerbstätigen Frauen und Männern nicht verzerrt“ (IfM Bonn, 07/2024)
Ausgestaltung einer Mutterschaftsumlage für selbstständig Erwerbstätige: https://www.ifm-bonn.org/publikationen/policy-brief-unternehmertum-im-fokus/detailansicht/umlagenfinanzierte-mutterschaftsleistungen-fuer-selbststaendig-erwerbstaetige-frauen
„SCHWANGERSCHAFT & KINDERWUNSCH IN UND MIT SELBSTSTÄNDIGKEIT“
Umfrage und Auswertung durch Mutterschutz für Alle! e. V.
Mithilfe der Umfrage sollte ermittelt werden, wie viele Menschen direkt oder indirekt von der Problematik des fehlenden Mutterschutzes für Selbstständige betroffen sind. Es wurde sich für eine kleine, wissenschaftlich nicht repräsentative, eigene Erhebung entschieden, um ein erstes Bild der Lage zu bekommen. Beworben und verbreitet wurde die Umfrage hauptsächlich über Instagram. In der Summe nahmen 1 632 Personen teil.
Verbreitung und Zeitraum
Die Umfrage wurde auf dem Instagram-Account @mutterschutzfueralle beworben und mit dem Microsoft Tool Forms durchgeführt, der zum Ablauf der Umfrage 9 263 Follower hatte.
Während der Umfrage wurden 17 129 Konten erreicht, darunter 7 998 Follower*innen und 9 131 Nicht-Follower*innen. Die Mehrheit der Follower*innen (94,3 Prozent) ordnete sich dem Geschlecht Frau* zu, während 5,6 Prozent dem Geschlecht Mann* zugeordnet wurden.
Die Umfrage umfasste 33 Fragen und wurde über einen Zeitraum von sechs Wochen vom 27.03.2023 bis zum 07.05.2023 durchgeführt.
Die Umfrage liefert Einblicke in die Situation von Selbstständigen und deren Erfahrungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschutz. Sie zeigt auch die Bedenken und Herausforderungen, mit denen diese Gruppe konfrontiert ist, und bietet wertvolle Informationen für eine Gesetzesinitiative für den Mutterschutz für Selbstständige.
Abfragen:
- Art der Anstellung
- Geschlecht
- Alter
- gemachte Erfahrungen
- bestehende Bedenken
Teilnehmer*innenprofil
Es wurden Geschlecht (bzw. das Vorhandensein eines Uterus), Art der Anstellung und bereits aufgetretene Beeinträchtigungen und Bedenken in Bezug auf die aktuellen Mutterschutzregelungen abgefragt.
Unter den Befragten waren:
94 % Personen mit Uterus
35 % soloselbstständig
13 % selbstständig mit Mitarbeiter*innen
52 % nicht selbstständig
Selbstständigkeit
Selbstständige mit Uterus:
42,21 % hatten Kinder
40,43 % hatten einen Kinderwunsch
12,97 % waren aktuell schwanger
4,37 % hatten keinen Kinderwunsch
72,07 % der Selbstständigen mit Uterus waren während ihrer Selbstständigkeit schwanger.
8,76 % waren in der Selbstständigkeit nicht schwanger, aufgrund der aktuellen Mutterschutzregelungen.
19,15 % waren aus anderen Gründen nicht während der Selbstständigkeit schwanger.
Von den Personen, die zeitgleich schwanger und selbstständig waren, hatten
62,61 % keinen Anspruch auf Mutterschaftsleistungen aus einer Zusatzversicherung,
34,50 % Anspruch auf Mutterschaftsleistungen und nahmen diese an,
2,87 % hatten Anspruch, verzichteten aus verschiedenen Gründen aber darauf.
Wirtschaftliche Nachteile
6,5 % der selbstständigen Schwangeren haben keine wirtschaftlichen Nachteile durch ihre Schwangerschaft erlitten.
17,48 % derer, die eine Zusatzversicherung hatten, haben keine wirtschaftlichen Nachteile durch ihre Schwangerschaft erlitten.
82,5 % hatten wirtschaftliche Nachteile, obwohl sie im Rahmen der derzeitigen Möglichkeiten vorgesorgt hatten.
Bedenken in Bezug auf Mutterschutz
43,67 % hatten Bedenken hincihtlich der aktuellen Mutterschutzregelungen in Bezug auf die fehlende Absicherung während der Schwangerschaft und die Angst vor wirtschaftlichen Nachteilen.
21,70 % hatten Bedenken wegen der fehlenden Absicherung nach der Schwangerschaft.
0,3 % der Befragten hatten keine Bedenken bezüglich der aktuellen Regelungen zum Mutterschutz für gebärende Selbstständige.
Kinderwunsch und Selbstständigkeit:
21,03 % der selbstständigen Personen gaben an, aufgrund der Selbstständigkeit auf ihren Kinderwunsch zu verzichten.
13,41 % gaben an, ihre Selbstständigkeit aufzugeben, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen.
61,28 % gaben an, Kinderwunsch und Selbstständigkeit weiterzuverfolgen.
Entscheidung: Kind oder Betrieb
26,17 % der Befragten stimmten der Aussage „Ich werde meine Selbstständigkeit erst nach dem Kinderwunsch ausleben können“ zu.
24,05 % stimmten der Aussage zu: „Ich könnte mir vorstellen selbstständig zu werden, aber zögere wegen der aktuellen Mutterschutzregelungen“.
34,82 % Personen, die Selbstständigkeit und Schwangerschaft erlebt haben, gaben an, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen auf ihren weiteren Kinderwunsch verzichten.
17,41 % geben ihre Selbstständigkeit auf, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen.
Fazit
Die Umfrage zeigt die vielfältigen Herausforderungen und Bedenken im Hinblick auf Mutterschutz und Selbstständigkeit. Die Ergebnisse können dazu beitragen, die Diskussion über die Erweiterung des Mutterschutzgesetzes zu fördern und Verbesserungen für betroffene Personen herbeizuführen.
Auszug aus den freien Antwortmöglichkeiten
Zusätzlich wurde die Umfrage um ein freies Antwortfeld für persönliche Erfahrungen ergänzt. So kamen insgesamt 40 Din-A4-Seiten mit 258 Antworten zusammen. Auf diesen 40 Seiten findenwir keinen einzigen positiven Bericht einer Selbstständigen im Mutterschutz und keine gebärende Selbstständige, die ohne Bedenken und Zukunftsängste in den Mutterschutz gehen oder sich unbeschwert den Kinderwunsch erfüllen kann.
Die persönlichen Erfahrungen decken eine Vielzahl von Problemen ab, darunter finanzielle Sorgen, organisatorische Schwierigkeiten und der Mangel an Unterstützung durch Zusatzversicherungen.
Auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ ist, ist deutlich zu erkennen, dass die Frage von Vereinbarkeit in der Schwangerschaft und im Mutterschutz berufliche und familiäre Entscheidungen beeinflusst.
Erfahrungsberichte findest du unter …(7.XX)
Die Ergebnisse der Umfrage flossen in unsere Stellungnahme ein, die Johanna Röh als Sachverständige vor dem Familienausschuss am 18.09.2023 eingebracht hat.
Mögliche Finanzierung
Mutterschaftsleistungen für Selbstständige müssen solidarisch finanziert werden.
Über Krankenkassenbeiträge, Steuermittel, eine Umlage oder eine Kombination dieser Finanzierungsmöglichkeiten. Es muss dabei für selbstständig tätige Schwangere ein Instrument geschaffen werden, mit dem, wie bei Angestellten, alle Geschlechter gleichermaßen für die Kosten des Mutterschutzes aufkommen.
Die Mutterschaftsleistungen von schwangeren Angestellten werden zum größten Teil über die Umlage (U2) finanziert, in die alle Arbeitgeber*innen auf der Grundlage der Lohnsumme ihrer Angestellten – egal welchen Geschlechts – einzahlen.
Wir glauben, dass es die schnellste und fairste Lösung sein kann, das bestehende System der Angestellten zu erweitern und den Gewinn aller Selbstständigen als Berechnungsgrundlage der Umlage für schwangere Selbstständige heranzuziehen. Das IfM Bonn hat Berechnungen vorgelegt, laut derer eine Umlage mit durchschnittlich 5,30 Euro im Monat pro Betrieb vergleichsweise gering ausfällt. Diese sollte zur Finanzierung einer Betriebshilfe oder alternativ zur Absicherung des (ausgefallenen) Einkommens herangezogen werden. Auch die Option einer Umlage, die sich prozentual am Bruttoeinkommen berechnet, wäre mit einem Umlagesatz von 0,13 Prozent möglich. Konkret wären das bei 1 500 Euro pro Monat 1,95 Euro und bei einem Bruttoeinkommen von 5 000 Euro pro Monat 6,50 Euro.
Außerdem streben wir Änderungen im Versicherungsvertragsgesetz an, sodass Betriebsausfallversicherungen, Inhaberausfallversicherungen und Praxisausfallversicherungen auch schwangerschaftsbedingte Ausfallzeiten und die Zeit des Mutterschutzes absichern müssen. Der EuGH stellte in seiner Rechtsprechung zur privaten Krankenversicherung klar, dass „Sicherungssysteme, die frauenspezifische Kosten abdecken, von der Solidargemeinschaft getragen werden müssen“. Derzeit fehlen solche Sicherungssysteme in Deutschland.
Versicherungen, die im Krankheitsfall greifen, müssen immer zum Gesundheitsschutz von Schwangeren, bei schwangerschaftsbedingten Krankschreibungen und im Mutterschutz greifen – ohne Karenz- und Wartezeiten oder gesonderte Beiträge für Betroffene.
Ist es fair, von uns zu erwarten, dass wir eine solche teure Versicherung abschließen und komplett selbst bezahlen? Eher nicht, wenn der einzige Beweggrund die Absicherung in der Schwangerschaft und im Mutterschutz ist. Trotzdem wäre dies ein erster Schritt und könnte langfristig mit Steuermitteln unterstützt werden, da der Staat ein gewisses Interesse daran haben sollte, die Infrastruktur und Arbeitsplätze zu sichern.
Wir sind uns bewusst, dass gerade Klein- und Solo-Selbstständige derzeit proportional höhere Lasten bei der Sozialversicherung und bei den Steuern tragen. Das wird zu Recht kritisiert und muss sich ändern. Wir betrachten dies jedoch als ein separates Thema vom Mutterschutz für Selbstständige, welches auch gesondert bearbeitet werden sollte.
Es ist uns sehr wichtig, dass selbstständige Frauen nicht gegen alle Selbstständigen ausgespielt werden und dieses Thema nicht als Vorwand für eine Grundsatzdiskussion oder komplett losgelöste Forderungen genutzt wird.
Eine Schwangerschaft in der Selbstständigkeit war bisher nicht vorgesehen, weswegen es bislang keine solidarische Verteilung der damit verbundenen Kosten gibt. Wir wollen/können nicht warten, bis das System an sich reformiert ist und alle anderen Herausforderungen für Selbstständige gelöst sind. Denn bis dahin gründen Frauen mit Kinderwunsch nicht, entscheiden sich aufgrund der mangelnden Absicherung gegen Kinder – manchmal sogar dann, wenn sie schon schwanger sind. Sie schließen ihre Betriebe wieder oder gehen gesundheitliche Risiken ein, da sie es sich nicht leisten können zu pausieren.
Als Gegenargument gegen eine Umlage haben wir schon gehört, dass Selbstständige diese nicht finanzieren könnten. Hier laden wir ein, die Perspektive zu wechseln: Wer meint, dass die Selbstständigen diesen Beitrag zu Mutterschaftsleistungen nicht stemmen können, liefert das stärkste Argument für einen umfassenden Mutterschutz für Selbstständige gleich mit. Das bedeutet nämlich, dass es keine selbstständigen Gebärenden geben kann. Und dass es definitiv für Frauen mit Kinderwunsch keine Vereinbarkeit in der Selbstständigkeit geben kann.
Die Kosten und das unkalkulierbare Risiko, welche die Schwangeren und werdenden Mütter derzeit tragen müssen, sind um ein Vielfaches höher, als eine Umlage kosten würde. Schwangere Selbstständige tragen diese Last derzeit allein – und das in einer der forderndsten Lebensphasen, die es gibt.
Wenn wir dafür plädieren, erst andere Abgaben zu senken, bevor wir schwangere Selbstständige absichern, fechten wir den Streit um zu hohe Sozialbeiträge und Steuern der Selbstständigen auf dem Rücken der Frauen aus, die wir auf der anderen Seite in der Selbstständigkeit brauchen.
Ohne eine Absicherung in der Schwangerschaft haben werdende Väter und gewollt Kinderlose einen krassen Wettbewerbsvorteil.
Unser Ansatz: Sobald wir als Mütter und Väter das gleiche Risiko und auch die gleiche Sicherheit in der Familiengründung tragen, können wir uns sehr gerne gemeinsam um alle anderen Herausforderungen der Selbstständigen kümmern.
Hier möchten wir Mut machen. Mittlerweile haben über 35 Organisationen aus der Wirtschaft und Gesellschaft die Gemeinsame Erklärung des Bündnisses für den Mutterschutz für Selbstständige unterzeichnet, die eine Umlage als Finanzierung nahelegt. Diese Verbände vertreten gemeinsam über 250 000 Menschen. Zusätzlich haben auch der Startup-Verband, der BFB und der VDU schon die Umlage-Finanzierung auf den Tisch gebracht. Die Unterstützung ist also da und wir werden nicht müde, unser Anliegen zu verteidigen – egal mit welcher Finanzierung, Hauptsache, sie kommt.
Wir möchten auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. November 2003 hinweisen: Art. 6 Abs. 4 GG begründet keine Pflicht des Staates, die Kosten des Mutterschutzes ausschließlich zu tragen. Sollten nur Frauen in die Umlage einzahlen, würde das eine faktische Diskriminierung gemäß Art. 3 Abs. 2 GG darstellen. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung darüber zu befinden, ob nur Kleinunternehmen oder auch mittlere und große in die Umlage einzahlen sollten. Nachlesen kann man das Urteil und die dazugehörige Begründung hier: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2003/11/rs20031118_1bvr030296.html
Auszüge:
128: Im Übrigen würde ein die mittleren und großen Unternehmen umfassendes Ausgleichs- und Umlageverfahren auch die Beitragsbasis verbreitern und damit Unternehmen mit hohem Frauenanteil entlasten. Bisher werden durch die Beschränkung des Ausgleichs- und Umlageverfahrens auf Kleinunternehmen nur etwa ein Viertel der männlichen Arbeitnehmer und auch nur etwa ein Viertel der auf Männer entfallenden Lohnkosten erfasst, wobei die Umlage in den betroffenen Unternehmen gleichermaßen auf Männer- und Frauenlöhne erhoben wird. Würden durch eine Ausweitung des Ausgleichs- und Umlageverfahrens auch die anderen Unternehmen, die den überwiegenden Teil der Arbeitnehmer beschäftigen, in das Umlageverfahren einbezogen, wären im Verhältnis zu den denkbaren Risikofällen innerhalb der Gruppe von weiteren etwa 10 Mio. Frauen auch die Einkommen von weiteren 15 Mio. männlichen Arbeitnehmern faktisch „umlagebelastet“.
Vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts waren nur Kleinunternehmen zur Einzahlung in die Umlage verpflichtet. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung eine Umsetzungsfrist bis 2005 gegeben. Seitdem sind auch große Unternehmen zur Einzahlung in die Umlage verpflichtet. Auch solche, in denen ausschließlich Männer arbeiten.
Auch auf der EU-Ebene wurde diese Haltung bekräftigt und mit einer Entscheidung ergänzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat in der Rechtssache C-236/09 am 01.03.2011 entschieden, dass Versicherungen das Geschlecht bzw. die Risiken durch Schwangerschaft und Mutterschutz nicht mehr als „Risikofaktor“ nutzen dürfen. Die bislang übliche Praxis diskriminiere Frauen und sei deswegen ungültig. https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=c-236/09
Wie können die Urteile in Bezug auf den Mutterschutz für Selbstständige eingeordnet werden?
In der Entscheidung betrachtet das Bundesverfassungsgericht jede nur indirekte finanzielle Bevorzugung von Männern als einen Verstoß gegen Artikel 3 GG. Das Urteil ist genauso übertragbar auf die Situation der schwangeren Selbstständigen. Derzeit werden Frauen allein für die Kosten des Mutterschutzes herangezogen, insbesondere durch zusätzliche Beiträge zur Krankengeld- und Krankentagegeldversicherungen, um eine finanziellen Absicherung während des Mutterschutzes zu gewährleisten.
Auch die Entscheidung des EuGH kann in Bezug auf die gängige Praxis von Betriebsausfallversicherungen und ähnliche Versicherungsprodukte als diskriminierend gewertet werden. Schwangerschaftsbedingte Krankschreibung und Mutterschutz von Leistungen auszuschließen, in denen Krankheiten abgesichert werden, stellt eine geschlechtsbedingte Benachteiligung von Frauen gegenüber Männern dar und belässt den Risikofaktor und die entsprechenden Kosten zu 100 Prozent bei den betroffenen Frauen.
Wenn wir den niedrigen Frauenanteil in der Selbstständigkeit betrachten (etwa zwei Drittel der selbstständigen sind männlich und nur knapp ein Drittel der Selbstständigen ist weiblich), dann ist der Ausschluss der selbstständigen Frauen und Männern von einem Umlageverfahren zur Absicherung der Kosten für Schwangerschaft und Mutterschutz ebenso problematisch, wie der vorherige Ausschluss der größeren Betriebe. Die Umlagebasis muss sich horizontal auf alle Einkommen der erwerbstätigen Bevölkerung erstrecken, um eine geschlechtergerechte, faire Verteilung der Kosten für Schwangerschaft und Mutterschutz zu gewährleisten.
Laut den Berechnungen des Instituts für Mittelstandsforschung bekommen schätzungsweise knapp 27 000 Selbstständige im Jahr Kind(er). Die Kosten des Mutterschutzes je nach Höhe der Leistungen werden in der Kernzeit der 14 Wochen auf 149 bis 229 Millionen Euro beziffert.
Hier geht es erst einmal nur um eine Absicherung des weggefallenen Arbeitseinkommens in der Kernzeit des Mutterschutzes. Die Zeit der Schwangerschaft und Kosten zum Auffangen des Betriebes sind hier noch nicht berücksichtigt. Trotzdem verdeutlicht diese Zahl, über welche kleine Summe wir sprechen.
Maßnahmen
Wir brauchen eine Kostenübernahme von Betriebshilfen im Handwerk sowie von Vertretungskräften in anderen Branchen. Vorbilder dafür finden sich genügend. Diese Maßnahme schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Betrieb und das Einkommen der Schwangeren werden aufgefangen. Im Handwerk kann auch eine Gesell*in die Meisterin ersetzen, da es schon grundsätzlich hilft, wenn eine ausführende rechte Hand zur Seite gestellt wird. Ein System zur Bereitstellung oder Vermittlung von Betriebshelfer*innen oder Vertretungskräften könnte langfristig aufgebaut werden, z. B. analog zu Leiharbeitsfirmen. Dieses System ist jedoch nicht notwendig oder Voraussetzung, um direkt loszulegen. Betroffene mit Bedarf sollten sich diese Vertretungskraft auch selbst beschaffen dürfen.
Wo das nicht hilft und sofern die betrieblichen Arbeitsbedingungen für die Gesundheit der schwangeren Selbstständigen oder ihres ungeborenen Kindes eine Gefährdung darstellen oder Schwangerschaftssymptome es erfordern, müssen Selbstständige genauso wie Angestellte ab Beginn der Schwangerschaft bis acht Wochen nach der Geburt eine verlässliche und unbürokratische Einkommensabsicherung erhalten. Bei der Berechnung der Einkommensersatzleistung ist die besondere Situation von Gründerinnen zu berücksichtigen. Auch Krankheit darf die Leistungen nicht schmälern. Wenn wir auf der Mindestbemessungsgrundlage oder höher einzahlen, muss die Absicherung entsprechend dieser Beiträge zu 100 Prozent greifen – ohne Karenzzeiten oder Abzüge.
Zudem sollte ein gewisser Hinzuverdienst während des Leistungsbezugs möglich sein, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können und um den Betrieb nicht zu gefährden.
Versicherungen, die Krankheiten, Einkommensausfall und Betriebskosten absichern, sollen obligatorisch auch den erforderlichen Schutz im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft sowie schwangerschaftsbedingte Ausfallzeiten und die Zeit des Mutterschutzes abdecken.
Ob es im nächsten Schritt fair ist, von uns zu erwarten, dass wir eine solche teure Versicherung abschließen und komplett selbst bezahlen, führt uns direkt wieder zur Frage der Finanzierung.