M. hat Erfahrungen rund ums Elterngeld gesammelt und erzählt uns von bürokratischen Odysseen, fehlenden Zuständigkeiten und sinnvollen Tipps:
„Danke für Eure Arbeit- ich finde es toll, dass ihr euch so einsetzt und ein Thema auf die Agenda geholt hab, welches viel zu lange einfach totgeschwiegen wurde.
Kurz zu mir: ich bin 39, seit 12 Jahren selbstständig als Zahnärztin und habe 2 Kinder (4 und 0,5 Jahre alt). Als ich mich mit 27 selbständig gemacht habe – war ich frisch getrennt und hatte den Glauben: Irgendwie geht dass dann schon irgendwann mal irgendwie – Was ich nicht überrissen habe ist, dass „IREGENDWIE“ halt irgendwie auch nicht so geil / toll oder so wie man sich das wünschen würde, heißt.
In der Selbständigkeit habe ich im ersten Jahr die erste schwangere Mitarbeiterin gehabt – die damals dann von einem Tag auf den anderen für einen Großteil der Aufgaben ausfiel. Alle weiteren Mitarbeiterinnen waren mit der Bekanntgabe der Schwangerschaft im Beschäftigungsverbot, da die Tätigkeit am Behandlungsstuhl ein so großes Infektionsrisiko darstellt.
IN meinen Schwangerschaften habe ich beim ersten Kind bis kurz vor der Geburt gearbeitet. Ich habe ganz lange keine Vertretung gefunden, und das hat mir sehr viele Sorgen bereitet. Am letzten geplanten Arbeitstag hat sich dann ein Kollege in Rente bereiterklärt, mich für 6 Wochen zu vertreten, mit Teamurlaub hatte ich dann knapp 10 Wochen Pause.
Leisten konnte mich mir das, weil ich 8 Jahre dafür gespart habe. Auf die Frage nach Unterstützung habe ich so Sätze gehört wie:
- „Das ist ihr Problem“
- „Im Mutterschutzgesetz steht, dass sie nicht mehr arbeiten sollen, aber da müssen sie sich ja nicht dran halten“
- „Was wollen sie überhaupt, Sie sind selbständig“
- „Nein, diese Kollegin darf sie nicht vertreten, das ist so nicht vorgesehen (bürokratische Hürden)“
- „Haben Sie hinterher schon jemanden fürs Kind?“ (da habe ich dann erst mal geheult)
Ich hatte damals 5 Mitarbeiterinnen – habe alle durchfinanziert. Meine Steuern habe ich auch fleißig weiter bezahlt. Elterngeld zu bekommen, hat sich als große Herausforderung herausgestellt, aber dank eines findigen Elterngeldberaters konnte ich erst mal den Höchstsatz für bestimmte Monate bekommen.
Die Idee dahinter war, die Zahlungseingänge so zu steuern, dass wirklich Monate ohne Gewinn herauskommen. Aber – wen wundert es – das hat nicht geklappt, unter anderem auch deswegen, weil ich die Quartalsabrechnung immer erst im nächsten Quartal ausbezahlt bekomme.
Was also vor der Geburt erarbeitet wurde, kommt dann – wenn man eigentlich gar nicht da ist… somit muss man nicht gefördert werden. (War auch bei den Coronahilfen so). Bei der Elterngeldstelle hat aber keiner Ahnung, wie das bei Selbständigen so läuft….
Den endgültigen Elterngeldbescheid fürs erste Kind haben wir immer noch nicht. Den bräuchte ich aber, um an das Krankentagegeld für die Zeit nach der Geburt zu kommen… . Das für den Mutterschutz habe ich aber immer, wie vertraglich vereinbart, nach 14 Tagen Karenz bekommen. (Aber keine 70%, das ist ein festgelegter Satz bei mir)
Im Großen und Ganzen kann ich aber sagen, dass bei mir alles mit sehr viel Glück und einem guten Rückhalt in der Familie (Mann, Großeltern) einigermaßen funktioniert hat und ich nur phasenweise traurig war, immer nur so wenig Zeit zu haben.
Ich erinnere mich an den Rückbildungsgymnastikkurs beim Großen, bei dem alle Frauen gesagt haben auf die Frage, was sie sich für die nächste Zeit so wünschen: „Auch ein bisschen Zeit für mich“ und ich „hoffentlich genug Zeit für mein Kind […] M.“
Die Problematik fehlender Regelungen und Expertise findet sich auch im Falle von M. wieder
Aufgesuchte Beratungsstellen geben selten wertvolle Informationen und wirkliche Hilfen, denn es mangelt an Einheit, Klarheit und Verantwortungsbereichen:
„Ich habe mich Ende 2018 mit einem Innenarchitektur-Büro in München selbstständig gemacht [… ]
Im April 2020 habe ich eine Praktikantin eingestellt, später dann Werkstudentin.
Kinder standen bei meinem Mann und mir nicht wirklich auf dem Plan. Nichtsdestotrotz bin ich direkt nach unser Hochzeit im Oktober 2020 schwanger geworden.
Wir waren relativ früh bei ProFamilia um uns über so ziemlich alles zu informieren. Die Dame bei ProFamilia sicherte uns (selbstverständlich) zu, dass man als Selbstständige auch Elterngeld beziehen könne. Mutterschutz eher schwierig, da ich privat versichert bin. Sie gab uns ein Buch über Elterngeld mit, in dem es genau eine halbe Seite über Selbstständigkeit und Elterngeld gab. Die restlichen 200 Seiten waren für Arbeitnehmer. Aber ich machte mir keinen Stress… ich war ja noch nicht mal über das erste Trimester. Da das Büro recht gut lief und auch immer größere Projekte kamen, habe ich im Februar 2021 -schwanger- meine 1. Festangestellte eingestellt.
Weil bis dahin immer nicht so wirklich kapiert habe, wie sich Elterngeld bei Selbstständigkeit verhält, rief ich bei einer Elterngeldstelle an und schilderte ihr meine Situation:
Selbstständig (Einzelunternehmen)- Schwanger – Büromiete – Lizenzen – Angestellte.
Ich bin fast vom Glauben abgefallen, als mir die Dame erklärte, dass ich in der Zeit keinen Cent erwirtschaften dürfte, da es mir sonst gegen gerechnet werden würde. Und Elterngeld ja sowieso eher für Solo-Selbstständige ist, die aus dem Homeoffice arbeiten.
What the f***.
Also dachte ich mir… egal, ich bekomm das auch so irgendwie hin. Beantrage ich eben nur den Mindestsatz von 300€. Der ist ja umsatzunabhängig.
Umsatzunabhängig schaut beim Staat so aus, dass man trotzdem alle seine Zahlen offen legen muss. Und der Aufwand und die Zeit waren mir um ehrlich zu sein, zu blöd.
Also habe ich, mit Wehen auf dem Pezziball noch das letzte Projekt „abgeschlossen“, habe dann meine (gottseidank gesunde) Tochter auf die Welt gebracht und habe nach zwei Wochen von zuhause wieder begonnen zu arbeiten. Nach 5 Wochen habe ich mich einigermaßen fit gefühlt, dass ich von da an die Kleine jeden Tag mit ins Büro genommen habe. Mein Mann hatte sich die ersten 2 Monate recht viel Urlaub angehäuft. Aber auch der war irgendwann vorbei.
Alles was ich tagsüber nicht mehr geschafft habe, vor allem als sie das krabbeln anfing, musste ich abends wegarbeiten. Bis 11,12,1. Am nächsten Tag gleiches Spiel. Egal wie wenig Schlaf etc.
Bis vor ungefähr 4 Wochen. Seit dem ist die Kleine in der Kita und ich habe ein paar Stunden am Tag, in denen das meiste weggeackert werden kann. LG, M.“