An Fällen wie der von A. wird die Problematik fehlender Mutterschutzleistungen bei Selbstständigen verdeutlicht. Es fehlt eine Regelung zur Aufhebung vielfältiger Probleme. Bis dahin sehen sich Selbstständige wie A. mit den Auswirkungen unzureichender Unterstützung konfrontiert, die sich negativ auf Gesundheit, Familienstrukturen und Finanzen auswirken. Wieder einmal und trotzdem, jedes Mal zu viel:
„Mit meiner Schwangerschaft in 2020 wurde ich während der zweiten Welle in der Pandemie direkt mit einer Hyperemesis gravidarum überrascht. Ich war in Woche vier, als bei mir die Symptome einer Magen-Darm-Erkrankung sowie Kreislaufbeschwerden und Schwindelgefühle ähnlich wie bei einem sehr, sehr schlimmen Kater auftraten. Bis ich überhaupt meine Diagnose bekommen hatte, mussten Monate vergehen, weil mich im 1. Trimester die unterschiedlichsten medizinischen Einrichtungen abwimmelten – mit dem Hinweis, dass eine Schwangerschaftsübelkeit ganz normal ist und ich mich freuen sollte.
Jedoch hatte ich gar keine Lebenskraft mehr, um mich zu freuen. Wenn mein Partner morgens die Wohnung verließ und ein kleines Frühstück herrichtete, schleppte ich mich aufs Sofa zu meinem bereits auf mich wartenden Eimer. Es blieb einfach nichts im Körper. Wenn mein Partner nach Hause kam, hatte ich mich mit Glück 2x ins Bad bewegt. Irgendwann hatte ich nicht mal mehr die Kraft dazu und konnte mich so nicht mal ein Zimmer weiter bewegen, um mir selbst Essen zuzubereiten.
Schließlich endete meine Odyssee im Krankenhaus (zum zweiten Mal, diesmal erhielten sie mich jedoch glücklicherweise dort). Alleine der Weg dorthin war von mehreren Pausen unterbrochen, weil ich nicht mehr laufen konnte, erbrechen musste oder mir schwarz vor Augen wurde. Dort wurde ich einige Wochen aufgepäppelt. Alleine die Tatsache, dass ich regelmäßig Essen bekam und dafür keinen Schwäche-Anfall riskieren musste, war für mich inzwischen ein paradiesischer Zustand. Da wog ich allerdings schon unter 50 Kilo – als ausgewachsene und schwangere Frau.
Überall las ich, dass die Hyperemesis nach der 20. SW weniger wird. Bei mir war dieser Zeitraum der Besserung nicht lange von Bestand. Ich war auch so geschwächt, dass ich bei jedem kleinstem Stress wieder in die Abwärtsspirale geriet.
Somit lag meine Selbständigkeit als Designerin unerwartet und vielleicht viel früher als bei anderen Schwangerschaften, brach. Ich konnte nur noch sehr kleine Aufträge aufnehmen, da es unberechenbar war wie es mir am nächsten Tag, geschweige denn in der nächsten Woche gehen würde. Meine beiden Mitarbeiter*innen musste ich leider gehen lassen, da ich nicht genügend Aufträge mehr annehmen konnte.
Erschwerend kam hinzu, dass mir selbst das Delegieren sehr schwer fiel und ich nicht selten Meetings absagte oder zumindest verschieben musste, was nur mit dem Verständnis meiner Mitarbeiter*innen möglich war.
In der folgenden Zeit lebte ich hauptsächlich von meinen Ersparnissen und meine Rücklagen sind komplett aufgebraucht. Währenddessen sind wir auch noch umgezogen, weil die Räumlichkeiten nicht für eine Familie gepasst hätten. Weitere Kosten, die ich aus meiner Sparbüchse zahlen musste. Letztendlich habe ich in der Schwangerschaft und in der Zeit (während ich zu lange auf das Elterngeld gewartet habe und anschließend wieder mit einem leeren Auftragsbuch anfangen musste) all meine Ersparnisse aufgebraucht. Und ich war finanziell wirklich nicht schlecht aufgestellt.
Nun ist es so, dass ich gerne ein zweites Mal schwanger werden würde. Aber mit dem Wissen, dass ich wieder ab dem Moment der Befruchtung um meine finanzielle Sicherheit bangen muss, weiß ich nicht, wie ich das schaffen soll. Die Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass ich bei der zweiten Schwangerschaft ebenfalls mit einer Hyperemesis pflegebedürftig sein werde. Mein Unternehmen hat sich von der langen Abstinenz auf dem Arbeitsmarkt gerade erst etwas erholt.
Ich könnte auch nicht behaupten, ich wäre wieder so präsent bei meinen Kunden wie vor drei Jahren, schließlich hat die Pandemie auch ihr übriges beigetragen. Ich weiß nicht, wie ich mir erneut nach der Schwangerschaft einen neuen Kundenstamm erarbeiten soll. Wie auch bei der ersten Schwangerschaft möchte ich eigentlich bis zum Mutterschutz-Zeitraum erwerbstätig sein. Ich mag es, zu arbeiten.
Da ich es mir so sehr wünsche, dass mein Kind mit einem Geschwisterkind aufwächst, werde ich zeitnah nun den unwirtschaftlichen Weg erneut einschlagen und wissentlich ins Messer laufen. Ich weiß, dass ich im Alter ohne bisherigen Rücklagen große Probleme bekommen werde. Und ich finde es schrecklich, hierdurch vor die Wahl gestellt zu werden.
Ich hatte etwas Glück, dass ich in der Künstlersozialkasse bin und so einiges finanziell auffangen konnte. Sonst wäre ich jetzt bankrott. Gerade baue ich wieder meine Liquidität auf, aber einige Löcher lassen sich nur schwer stopfen.“