Dissertation & Habilitation vs. Emanzipation? 

A. promoviert, ist Stipendiatin & im Gesundheitswesen tätig. Medizinethik ist ihr Fachbereich. Dass die Ethik gerade in Bezug auf Mutterschutz für Selbstständige wie für Gebärende aus dem wissenschaftlichen Bereich an ihre Grenzen stößt, ist aus unserer #mfa-Perspektive verhöhnend.

Verunsichernde Rahmenbedingungen, abweisen von Verantwortlichkeit und das Fehlen finanzieller Absicherungsmöglichkeiten, die erleichtern statt zusätzlich Stress verursachen. A. ließ uns folgendes zukommen und an ihren Erfahrungen teilhaben:

„Ich habe Medizin und Philosophie studiert, bin 32 Jahre alt und bin schwanger. Ich arbeite im Bereich Medizinethik. Einerseits arbeite ich im Rahmen einer assoziierten Stelle an einer Universität, andererseits habe ich ein Promotionsstipendium in der Philosophie. Da meine Thematik ein Schnittstellenbereich ist, kann man ihn formal über medizinische und philosophische Institute bearbeiten und sich dort anbinden.

Eine meiner Stellen ist eine assoziierten Stelle. Sie wird durch Drittmittel finanziert und ist formal ein Stipendium. Dort betreue ich Doktorand:innen und arbeite am Lehrstuhl für Medizinethik mit.

Formal müsste ich meine Tätigkeit hier unterbrechen, um eine Pause für den Mutterschutz zu machen. Das habe ich nicht getan, sondern bis zur Entbindung gearbeitet. Nach der Entbindung muss ich schauen, wie gut es mir geht und wie ich vorgehe.

Meine philosophische Doktorarbeit wird ebenfalls durch ein Stipendium finanziert. Hierbei handelt es sich um ein „klassisches“ Promotionsstipendium.

Bei dem Promotionsstipendium kann man zwar eine Pause machen und Zahlungen erhalten, dann bekommt man aber nicht mehr Zeit für die Promotion im Nachhinein zugestanden. (Also keine drei Monate Verlängerung der Förderungen hintennach.) Man kann zwar eine Pause machen, allerdings pausieren die Zahlung dann auch. In diesem Fall kann man das Stipendium um drei Monate Förderzeit am Ende verlängern. Einen echten Mutterschutz ­– also Zahlungen, die absichern ohne Gegenleistung, gibt es nicht. Also habe ich auch an der Doktorarbeit bis zur Entbindung weitergearbeitet, um die Stipendienzahlungen zu erhalten.

Da viele Stellen an den Hochschulen über Stipendien finanziert werden, betrifft die Problematik viele andere auch und Sorgen um Krankenversicherung bzw. Rentenversicherung kommen hinzu. Die Problematik mit dem Mutterschutz führt dazu, dass ich in meinem Umfeld keine Frau kenne, die schwanger wird, während der Jahre, die sie über Stipendien finanziert wird. Ein Kinderwunsch ist kaum vereinbar damit, an der Hochschule im Unterbau bzw. Mittelbau mitzuarbeiten und stellt ein echtes finanzielles Risiko dar. Es betrifft natürlich Frauen, was zu einer problematischen Ungleichheit führt – auch im Hinblick darauf, wer Dissertationen abschließt oder Hochschulkarrieren machen kann.“

(Anm. d. Red:. Änderungen zu Zwecken von Anonymisierung)

Auch innerhalb des akademischen Bereiches werden Gebärende mit Belastungen, Sorgen und defizitären Absicherungsmöglichkeiten allein gelassen. Da signifikant mehr männlich gelesene Personen promovieren als weibliche, verdeutlicht das Ungleichgewicht.

Es fehlt an Struktur, Willen und Möglichkeiten. Gebärende im akademischen Bereich sehen sich oft mit Vorwürfen konfrontiert, ihnen sei die eigene Karriere wichtiger als Familie. Abgesehen vom misogynen Inhalt der Aussage ist es zudem paradox: Eine Gesellschaft, die die Geburt von mehr Kindern postuliert,   Rahmenbedingungen schafft,  die Sicherheitsbedürfnisse und persönliche Voraussetzungen ignorieren und letztlich Stigmata bestärkt, die Gebärenden eigene Unzulänglichkeit oder Verantwortungslosigkeit vorwirft, egal, wofür sie sich entscheiden – und sich dann wundert.